Digitale Chancen – Drei Erkenntnisse aus Corona für Führungskräfte und Unternehmen

14.10.2020 | Allgemein | 0 Kommentare

So. Corona tobt da draußen noch immer, aber parallel ist nach rund einem halben Jahr sicherlich auch ein Blick zurück schon mal erlaubt.

Und da stellen sich sofort die folgenden Fragen: Was können wir aus der Krise an Erkenntnissen mitnehmen? In welcher Form können wir zumindest ein paar positive Dinge aus der Katastrophe für uns ableiten? Was haben wir gelernt?

Die wichtigste Botschaft aus der Coronakrise für Unternehmen lautet doch, dass radikaler Wandel möglich ist, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.

Das ist bei aller Tragik von Corona eine im Kern enorm hoffnungsvolle Botschaft. Ich kenne tatsächlich keine einzige Firma, die die großen Umwälzungen in der Coronakrise nicht vernünftig hinbekommen hätte oder wo die Veränderungen krachend gescheitert wären. Abgefahren oder? Das ist eigentlich kompletter Wahnsinn und widerspricht diametral allen sonst empirisch zu beobachtenden Phänomenen, nach denen ein substantieller Teil von Veränderungsmaßnahmen im Nachgang als klarer Fehlschlag zu bewerten ist.

Bei Licht betrachtet stellt sich die Sachlage aber etwas anders dar. Es waren in diesem Fall nämlich global drei wesentliche Dinge erfüllt, die für Veränderungen unabdingbar sind und deren Abwesenheit die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns erhöht.

Das Gefühl für Dringlichkeit

Das Gefühl für Dringlichkeit war erstens vorhanden. Das Changemodell von John Kotter ist mittlerweile vollkommen veraltet, weil die Einschläge der Veränderungen heutzutage so schnell auf die Organisationen einprasseln, dass die von Kotter vorgeschlagenen 8 Schritte die Leute schlicht ermüden. Wenn alle paar Monate eine neue Vision kommunziert werden muss, weil sich die Rahmenbedingungen schon wieder um 180° gedreht haben, zehrt das an den Nerven und ist nicht hilfreich. Der erste Schritt, den Kotter bei Veränderungen sieht, ist aber nach wie vor wichtig und war nicht zufällig der alleinige Titel von Kotters letztem Buch: Das Prinzip Dringlichkeit [1]. Wenn die Leute verstehen, dass es dringend und wichtig ist, dann bewegen sie sich auch. Im Falle der Coronakrise war die Wichtigkeit und Dringlichkeit nicht nur ein – womöglich wenig überzeugend klingendes – Lippenbekenntnis eines nicht immer als glaubwürdig wirkenden Top Management. Nein: die globale Krise war allseits klar greifbar und durchzog alle Lebensbereiche.

Der Blick auf die Zukunft ist entscheidend

Es ging zweitens um eine Verlusterwartung. Wenn Veränderungen zu blumig und positiv als Vision in die Welt gesetzt werden, dann folgt daraus nicht selten eine Art Stillstand bis hin zur Apathie. Die Leute lehnen sich selbstzufrieden zurück und harren der großartigen Dinge, die da kommen. Bei Entscheidungen unter Unsicherheit kommt es nämlich wesentlich darauf an, wie das Problem formuliert ist: das „Framing“. Wenn wir einen positiven Frame haben, in diesem Fall die großartig positive Vision, dann reagieren Menschen in verblüffendem Ausmaß mit Risikovermeidung. Sie richten sich also behaglich ein und bewegen sich gerade nicht. Haben wir jedoch einen negativen Frame, wird also in der Vision der Verlust bei Nichthandeln ebenfalls thematisiert, dann reagieren Menschen deutlich eher mit risikoreicherem Verhalten und machen dann eher Dinge, die sie vorher nicht getan hätten. Das ist alles nicht sonderlich neu, denn Daniel Kahneman hat dafür 2002 den Wirtschafsnobelpreis erhalten und die zugehörigen Experimente reichen zurück bis in die späten 70er Jahre. Der Einfachheit halber sowie aufgrund der Bekanntheit des Ansatzes ausnahmsweise hier nen Verweis auf Wikipedia [2]. Dennoch hat sich dieses Wissen nach meinem Eindruck im Change Management noch nicht in der Breite herumgesprochen. Ich hoffe, Euch damit nicht zu langweilen. Die Botschaft lautet: wenn Ihr Veränderungen anstoßen wollt, müsst Ihr unbedingt auch die Kosten für die Beibehaltung des Status Quo betonen. Sonst reagieren die Leute eher mit Sitzfleisch statt Aufbruch.

Wie sich Kontinuität inmitten des Chaos herstellen lässt

Sicherlich selbst für die Profis ziemlich fresh ist der dritte Punkt. Oftmals entstammt der Widerstand gegen Veränderungsmaßnahmen dem subjektiven Streben nach einer Beibehaltung der organisationalen Identität. Hinter dem Satz „Das haben wir schon immer so gemacht“ in all seinen Variationen steckt letztendlich die Identifikation mit dem Status Quo, das Bedürfnis etwas Bewahrenswertes zu bewahren. Damit wird der Widerstand gegen Veränderung dann nämlich im Kern zu etwas inhärent Positivem. Ein holländisches Trio hat das im Feld und experimentell überprüft und bestätigt [3]. Spannend daran ist die Schlussfolgerung für die Kommunikation von Veränderungsmaßnahmen. Ein Anknüpfungspunkt der Veränderungsmaßnahmen zur eigenen Historie ist total hilfreich, um das Streben nach Kontinuität anzusprechen und so die organisationale Identität zu stützen. Der Bezug zur Coronakrise besteht darin, dass sich der damit verbundene Umbruch natürlich tief in die Identität der Organisation gegraben hat. Die Leute teilen die damit verbundenen Erfahrungen und haben selbst viel erlebt. Darauf kann man aufbauen.

Drei Ideen für die Zukunft

Insofern, und es geht ja in diesem Beitrag um digitale Chancen, würde ich zusammenfassend die drei Punkte festhalten: Wir alle haben in der Krise gesehen, dass ein radikaler digitaler Wandel möglich ist. Wenn die Verlusterwartung konkret ist und auch so formuliert wird, bewegen sich die Leute. Eine Verknüpfung der zukunftsgerichteten Veränderungen mit der eigenen Historie ist dabei jedoch wichtig, um die Angst vor dem Verlust von Teilen der eigenen und organisationalen Identität zu nehmen.

Wenn diese Krise auch selbstredend ein absolut katastrophales Ausmaß hatte und noch hat, so sind es mit Bezug auf digitale Chancen doch diese drei Punkte, die uns Hoffnung geben.

Literatur

[1] https://books.google.de/books/about/Das_Prinzip_Dringlichkeit.html?id=xsDlAgAAQBAJ&source=kp_book_description&redir_esc=y

[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Framing_effect_(psychology)

[3] https://journals.aom.org/doi/10.5465/amj.2015.1196

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