Angst vor ChatGPT? Keine Sorge – die Arbeit wird uns nicht ausgehen!

07.02.2023 | Allgemein | 0 Kommentare

Wer verbindet mit #chatgpt mehr Befürchtungen als Hoffnungen? Wer hat Angst? Und wovor?

Wie Angst vor neuen Technologien befeuert wird

Letzten Freitag erschien ein Artikel von Sebastian Matthes (Chefredakteur Handelsblatt) mit dem Titel: „Welche Jobs Künstliche Intelligenz wirklich gefährdet“. In dem Artikel wird das Narrativ ventiliert, dass Technologie (in diesem Fall KI) Jobs killt. Neu daran: nun geht es nach Matthes auch den Wissensarbeiter:innen, also der gefühlten Mehrheit auf LinkedIn, an den Kragen: „Einige, die sich sicher fühlten, trifft es nun besonders.“

Damit ist das Handelsblatt nicht allein. Business Insider titelt „Chat GPT: Diese zehn Berufe könnten in Zukunft von der Künstlichen Intelligenz übernommen werden“. DER SPIEGEL stößt ebenfalls in ein rein negativ konnotiertes Horn („Chief Executive Ottifant“).

Auch aus anderen Richtungen kommen Schreckenssszenarien. In einem Interview mit dem Forum Nachhaltig Wirtschaften zieht der Philosoph Dr. phil. Christoph Quarch eine direkte argumentative Linie von ChatGPT zum Aussterben des Denkens, zur Verwandlung der Welt in eine KI-Autokratie und zur Verflachung der Erde. Kein Witz. Das steht da genau so, wurde auf LinkedIn verschiedentlich geteilt und hunderfach geliked (alle Links im ersten Kommentar).

Gemein ist der deutschen Berichterstattung, dass genüsslich Bedrohungsszenarien kolpotiert werden. Das Verbreiten von Angst halt.

Bestimmt kennt ihr noch viele weitere Beispiele. Ich habe gerade diese herausgesucht, weil sie in meinen Augen stellvertretend sind für bedeutende Interessengruppen. Mit dem Handelsblatt und Business Insider haben wir Flaggschiffe der Wirtschaftswelt online und offline. Mit dem Spiegel reden wir über das Meinungsbild im öffentlichen Raum, das in Bezug auf Wirtschaftsthemen geprägt wird, mit dem Forum Nachhaltig Wirtschaften über eine Plattform für die ökologische Transformation.

„Eigentlich braucht die deutsche Wirtschaft eine zukunfts-, lösungs- und innovationsorientierte Perspektive. Denn die Firmen unseres Landes konkurrieren mehrheitlich über Qualität und Innovation, nicht über den Preis.

Und dennoch dominiert die Angst.

Ein zentraler Denkfehler

Im Zuge der Diskussion rund um ChatGPT begehen wir gerade einen klassischen Denkfehler, der sich desaströs auf unsere Stimmung, Wirtschaft und Zukunft auswirkt: Wir sehen vor allem die Risiken und unterschätzen die Chancen.

Woher glaube ich das zu wissen? Blicken wir vielleicht zunächst in die Vergangenheit, denn Automatisierung als Trend, der KI umfasst, gibts ja schon ein wenig länger. Der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin veröffentlichte 1996 einen dystopischen Bestseller. Titel: The End of Work – The Decline of the Global Workforce and the Dawn of the New-Market Era. Darin zeichnete Rifkin ein düsteres Bild der Zukunft, weil sich die Automatisierung immer mehr und stärker ausbreite. Er sparte dabei nicht an Vorhersagen, einige präzise, andere eher global:

– Die Arbeitslosigkeit wird sich explosionsartig ausbreiten, Roboter übernehmen für uns.

– Im Jahr 2020 werden nur noch 2% der Menschen in der Industrieproduktion arbeiten.

– Wir müssen Alternativen zur Erwerbsarbeit entwickeln, weil schon sehr bald – beginnend mit der Jahrtausendwende – kaum noch Arbeit bleibt.

Soweit Rifkin im Jahr 1996. Das Buch fand reißenden Absatz. Halten wir kurz die Realität dagegen:

– In Deutschland arbeiten 7,5 Millionen Beschäftigte in Industrie und verarbeitendem Gewerbe. Das entspricht auf einem Anteil von 20,8%.

– Zwischen 1999 und 2016 wurden durch Automatisierung etwa 23 Millionen Jobs in Europa geschaffen – das ist die Hälfte des Gesamtwachstums.

– Zukünftige Fortschritte in der Automatisierung werden ca. 1/3 der Jobs überflüssig machen, aber dafür mehr Jobs neu entstehen lassen.

Diese Daten habe ich vom ausgesprochen lustigen New Yorker Kollegen Scott Galloway. Tipp!

So oder so: die drastischen Warnungen, pessimistischen Prognosen und düsteren Analysen des Einflusses der Automatisierung auf die Erwerbstätigkeit waren in der Vergangenheit offensichtlich falsch. Es spricht in meinen Augen wirklich nichts dafür, weshalb es dieses mal anders sein sollte.

Betrachtet es aus einer anderen Perspektive: Was für geile Optionen ChatGPT doch eröffnet! Nur drei Beispiele:

– Die Data Scientists und Software Engineers in unserem Team jubilieren, weil sie in ChatGPT eine großartige Möglichkeit für effizienteres, interessanteres Coding sehen. Sie probieren schon fleißig damit herum und in der IT-Community kursieren bereits komplette Anleitungen, wie ChatGPT total hilfreich sein kann.

– Eine höchst geschätzte Kollegin erzählte mir, dass sie ChatGPT bereits in der Lehre einsetzt. Die Studis verfüttern Fallstudien an ChatGPT und lassen sich eine Lösung generieren. Die Aufgabe besteht nun darin, sich kritisch mit der von der KI erzeugten Lösung auseinanderzusetzen, die Schwachstellen in der Argumentation aufzudecken und eine bessere Lösung zu entwickeln. Voll cool!

– Auch für die Führungskräfteentwicklung sehe ich enormes Potential. Wie geil eine Verknüpfung von ChatGPT mit individueller Entwicklungsplanung wäre! Ich bin sicher, dass bereits findige Leute daran arbeiten.

 Und das sind nur einige Beispiele auf die Schnelle. Je mehr wir Kulturpessismus bedienen, Angst schüren und dystopische Phantasien befeuern, desto weniger kann sich Hoffnung entfalten.

Wie erfrischend vor diesem Hintergrund doch aus der Schweiz auf das gleiche Phänomen geblickt wird. Die Neue Zürcher Zeitung bereitet das gleiche Thema unter dem Titel „Chat-GPT und Googles «Bard» werden kein Massensterben von Wissens- und Kreativjobs auslösen – umdenken müssen wir trotzdem“ viel sinnvoller auf. Chancen, Risiken und Konsequenzen werden abgewogen. Kein Alarmismus. Ich würde mir wünschen, dass das auch in Deutschland häufiger der Fall wäre.

In meinem Netzwerk sind doch viele aus dem C-Level und aus dem HR. Wir möchten andauernd Menschen in Transformationsprozessen in Bewegung bringen, sie mit Mut beflügeln und ein Growth Mindset fördern. Da gibts also einen riesigen Hebel. Deshalb:

Lasst uns selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Wer ist dabei?

Quellen:

https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-welche-jobs-kuenstl…

Rifkin, J. (1996). The End of work. North Hollywood, CA, USA: Pacifica Radio Archives.

https://www.mckinsey.com/featured-insights/future-of-work/jobs-lost-jobs-gained-what-the-future-of-work-will-mean-for-jobs-skills-and-wages#/

World Bank. (2019). The Changing Nature of Work. World Development Report 2019.

https://www.mckinsey.com/featured-insights/future-of-work/jobs-lost-jobs-gained-what-the-future-of-work-will-mean-for-jobs-skills-and-wages#/

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https://www.linkedin.com/posts/svpino_9-ways-chatgpt-saves-me-hours-of-work-every-activity-7017126154633400320-idBU?utm_source=share&utm_medium=member_desktop
https://www.nzz.ch/wirtschaft/die-kuenstliche-intelligenz-chat-gpt-wird-keine-massenmoerderin-von-buerojobs-warum-man-trotzdem-umdenken-muss-ld.1723915

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