Should I stay or should I go? Wie Chefs die Firma verlassen (oder auch nicht)

04.12.2020 | Allgemein | 0 Kommentare

Nach mir die Sintflut? Ja und nein. Donald Trump zettelt bekanntlich gerade einen weiteren Kleinkrieg an. Dieses mal geht es um seine Nachfolge. Er tut sich schwer mit dem Umstand, dass er nach verlorener Wahl das Feld räumen und dem Nachfolger ein bestelltes Feld hinterlassen soll. Um für sich und seine zukünftige Verhandlungsposition die besten Bedingungen zu schaffen, deliriert er deshalb eine manipulierte Wahl herbei. Seine Partei unterstützt Trump bei diesem Ansinnen, weil kurzfristig gleich zu Beginn des Jahres 2021 zwei wichtige Senatssitze in Georgia zur Wahl stehen und weil langfristig das Narrativ der Dolchstoßlegende einer manipulierten Wahl gut ins strategische Konzept passt.

Nun können wir über ein so unwürdiges Spektakel die Nase rümpfen. Doch vollkommen fremd sind uns solche Prozesse in Deutschland keineswegs. Ganz im Gegenteil: ähnliche Schauspiele sind auch in heimischen Unternehmen immer wieder zu beobachten. Wenn es um die Frage der CEO-Nachfolge geht, werden hierzulande die Messer in schöner Regelmäßigkeit auf höchste unschöne Weise gewetzt. Hand aufs Herz: Ihr kennt doch alle mindestens einen Prototypen des alten Patriarchen, der seine Finger zum allgemeinen Verdruss auch nach dem groß angekündigten Rücktritt nicht aus dem Tagesgeschäft herauszulassen imstande ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Nachfolgeprozesse häufig vollkommen unproblematisch und vorbildlich verlaufen. Wie kommt das?

4 Typen von CEOs

Ein Team von der Penn State University hat sich dieses Themas angenommen und ist zu einem Ergebnis gelangt, das Beratungsfirmen lieben würden und werden: eine 2×2 Matrix. In diesem Fall handelt es sich ausnahmsweise jedoch mal um eine sinnvolle Verkürzung und kein McKinsey-Bullshitbingo! Identifiziert wurden zwei relevante Dimensionen. Die erste zielt aufs Interesse: Besteht bei der aktuellen Führung ein Interesse an der Nachfolgeregelung? Zweitens geht es um den Machtanspruch und das eingeforderte Mikromanagement bezüglich der Nachfolgeentscheidung, kurzum: möchte die aktuelle Führung den Prozess und das Ergebnis kontrollieren?

Aus der Beantwortung dieser simplen Fragen ergeben sich 4 Typen von CEOs.

Aus: Joshi A, Hambrick DC, Kang J. (2020). The generativity mindsets of chief executive officers: A new perspective on succession outcomes. Academy of Management Review. Online first, in press.

Der generative CEO stößt den Prozess der Nachfolgeplanung an, hält sich aber aus der konkreten Nachfolgesuche heraus. Das ist sowas wie die Ideallösung.

Der hypergenerative CEO stößt den Prozess der Nachfolgeplanung an, klinkt sich aber auch sehr aktiv in die Auswahlentscheidung ein. Das ist ein Klassiker in Familienunternehmen.

Der anti-generative CEO kümmert sich nicht um die Nachfolgeplanung oder behindert diese gar, fordert für sich aber zugleich ein hohes Mitspracherecht ein. Das ist ein Klassiker in großen Konzernen mit viel Mikropolitik.

Der hypo-generative CEO kümmert sich weder um die Nachfolgeplanung noch um die Auswahlentscheidung. Das ist der Standardfall, bei dem der CEO einfach mit dem Tagesgeschäft, dem eigenen Überleben an der Spitze und allem weiteren Tamtam so beschäftigt ist, dass die eigene Nachfolge schlicht keine Aufmerksamkeit erhält.

Hinzu kommt natürlich, dass die wenigsten CEOs den richtigen Zeitpunkt zum Gehen finden. Wenn alles toll läuft, macht es zu viel Spaß. Wenn alles den Bach runtergeht, sollte der Kapitän das sinkende Schiff nicht verlassen. Schwierig.

Was folgt daraus?

Dazu vielleicht eine kleine Anekdote: Kürzlich habe ich mit dem maßgeblichen Entscheider eines großen Fußballvereins gesprochen, darunter war auch das Thema Nachfolgeplanung. Ich war vollkommen überrascht, dass der Verein in dieser Hinsicht vollkommen blank ist. Weder für den Manager noch für den Trainer des Vereins existiert ein professionelles Konzept für die Nachfolgeplanung. Und das in einer Branche, in der der Cheftrainer im Schnitt 1,4 Jahre dabei ist und der Manager knapp unter 3. Mein Gesprächspartner hingegen war seinerseits überrascht, dass man da keineswegs unvorbereitet sein muss. Fand ich krass.

Da das Thema also offenkundig wichtig ist und CEOs sich diesbezüglich in ganz unterschiedlicher Form einbringen, muss es an anderer Stelle proaktiv verfolgt werden. Handlungsmöglichkeiten und –bedarf gibt es auf drei Ebenen:

  1. Aufsichtsrat: Der Aufsichtsrat muss über ein Anforderungsprofil für die Position des CEO verfügen. Im Fußballbeispiel beträfe das neben dem Manager auch noch den Trainer, der nach innen und außen ja wie eine Art CEO wahrgenommen wird.
  2. Personalmanagement, Teil 1: Im HR muss das Anforderungsprofil erstellt werden und zusätzlich ein Auswahlprozess hinterlegt sein, der im Fall des Falles jederzeit zur Anwendung kommen kann.
  3. Personalmanagement, Teil 2: Ebenfalls zu pflegen ist eine zukunftsgerichtete Personalplanung. Es gibt bereits heute datengestützte Konzepte der strategischen Personalplanung, welche Veränderungen von Anforderungsprofilen eigenständig im Blick behalten. Gerade für so neuralgische Positionen wie die des CEO drängt sich das in meinen Augen auf.

Wer keinen Bock auf trumpsche Extravaganzen in der CEO-Nachfolge hat, sollte sich mit diesen Punkten auseinandersetzen.

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